Hölderlin-Abend
An Zimmern
Die Linien des Lebens sind Verschieden
Wie Wege sind, und wie der Berge Gränzen.
Was Hir wir sind, kan dort ein Gott ergänzen
Mit Harmonien und ewigem Lohn und Frieden.
(Friedrich Hölderlin)
Am 2.7.2021, einem Freitagabend, sitze ich vorfreudig im Oratorium, um mir von Rahel Ehret (Promo 13/17), Emilian Tersek und Janis Hanenberg, alle drei Sprechkunststudierende an der HMDK Stuttgart, die Ergebnisse ihrer gemeinsamen Arbeit vorstellen zu lassen. Zehn Tage haben sie, wie sie uns erzählen, gemeinsam mit der Projektleiterin Sabine Wandelt-Voigt im Schwarzwald gelebt und gelesen. Nun wartet eine persönliche und auch persönlich gestaltete Sammlung aus Gedichten und Briefen Hölderlins darauf, in einer „literarischen Performance“ auf die Bühne gebracht zu werden.
Der Abend beginnt mit der Aufforderung, zu zweit durchs Oratorium zu laufen – wobei einer Person die Augen verbunden werden. Dazu hören wir Klänge von Klavier, Geige und Klarinette sowie ein erstes Gedicht von Hölderlin. Als ich wieder an meinem Platz sitze, spüre ich, dass ich mich nun viel bewusster auf Sprache und Musik einlassen kann. Dann beginnt auch schon das eigentliche Programm. Die „intensive und liebevolle Sprache“ Hölderlins, so erzählen die Vortragenden, wollen sie uns näherbringen. Tatsächlich fällt mir im Laufe des Abends vor allem ihr intensiver und liebevoller Umgang mit eben dieser Sprache auf. Alles wirkt sehr bewusst, nicht nur das Sprechen, auch die Gestaltung, das Auftreten, die Bewegungen. Besonders der Einsatz von Musikinstrumenten verstärkt die Wirkung sehr deutlich. Mal wechseln sich Stimme und Instrumente ab. Mal wird auf den Instrumenten improvisiert und darüber gesprochen. Mal wird ein Gedicht auf dem Boden liegend und in Form einer Komplet vorgesungen. Besonders die Überzeugung, mit der sie ihre Texte vortragen, beeindruckt mich schwer, wie auch ihre Interaktion. Der Abend hinterlässt eine Wirkung in mir – und am Ende ist es für mich wie ein Erwachen. Um mich herum wird applaudiert, und ich bin einfach nur fasziniert.
Für viele, denen es ähnlich geht wie mir, bietet sich im Anschluss die Gelegenheit, mit den drei Vortragenden und der Projektleiterin ins Gespräch zu kommen.