Herausforderungen durch dramatisches Insektensterben
Vierter Vortrag der Veranstaltungsreihe Studium Generale „Verantwortung“ am Evangelischen Seminar Maulbronn
In seinem Vortrag am 12. Dezember 2019 beleuchtete der Insektenforscher Prof. Dr. Lars Krogmann, der die Abteilung für Entomologie (Insektenkunde) am Staatlichen Museum für Naturkunde in Stuttgart und den Fachbereich Entomologie an der Universität Stuttgart Hohenheim leitet, das dramatische Insektensterben in Zeiten des Klimawandels.
Prof. Dr. Krogmann führte verschiedene wichtige Studien ins Feld, u.a. die Krefelder Studie und die Studie vom 30.10.2019 der TU München. Die Langzeitstudie des Entomologischen Vereins Krefeld war bereits im Oktober 2017 wie eine Bombe eingeschlagen: Innerhalb von dreißig Jahren sei die Anzahl der Fluginsekten in Deutschland um drei Viertel zurückgegangen. Die Münchener Studie habe sich dann im Speziellen mit dem Insektensterben und der Landnutzung beschäftigt. Der Wissenschaftler machte darauf aufmerksam, dass ökosystemare Dienstleistungen stark gefährdet seien: Abbau organischer Substanz, Bestäubung, Nahrung für andere Organismen und die Regulation anderer Insekten. Die Folgen des Insektensterbens seien komplex, so Krogmann: „Alle Tiere, die von Insekten abhängig sind, sind stark gefährdet bzw. es geht ihnen schlecht, beispielsweise dem Kiebitz.“ Er erläuterte ferner die Wichtigkeit der parasitoiden Wespen, die ebenfalls stark gefährdet seien: „Parasitoide Wespen sind entscheidend für das ökologische Gleichgewicht.“
Viele Herausforderungen gebe es z.B. auch in der Landwirtschaft. Er warnte vor Überdüngung und zu grünen Wiesen, die nicht mehr so blumenreich und bunt wie früher seien. Neue Monokulturen (Energiemais), Pestizide und Fragmentierung seien ebenso Teil des Problems, die kein insektenfreundliches Klima schaffen würden. Weitere Herausforderungen, so der Insektenforscher, hängen auch mit dem Straßenverkehr, der Lichtverschmutzung und dem Flächenverbrauch zusammen. Forscher haben deshalb auf dem Internationalen Insektenschutzsymposium am Naturkundemuseum in Stuttgart 2018 einen NEUN‐PUNKTE‐PLAN GEGEN DAS INSEKTENSTERBEN – DIE PERSPEKTIVE DER WISSENSCHAFT (ein Maßnahmenplan zur Bekämpfung des Insektensterbens) vorgestellt.
Außerdem hat sich Krogmann vor zwei Wochen auch in Berlin mit Umweltministerin Svenja Schulze und den Bauernverbänden getroffen, um gemeinsam weiterhin nach Lösungen zu suchen.
Verantwortung haben nicht nur die Landwirtschaft und die Politik, sondern auch die Wissenschaft. So müsse diese mehr Grundlagenforschung betreiben und fördern, denn das Verständnis für biologische Zusammenhänge sei sehr entscheidend. Der Professor sprach sich überdies auch für eine bessere universitäre Bildung von angehenden Lehrer*innen aus, die später ihr Wissen an Schüler*innen weitergeben sollen.
Letztlich gehe es aber nie ohne die Verantwortung der Gesellschaft. Durchaus optimistisch schlug er folgende Handlungsanleitungen vor: Bioprodukte kaufen, Fleischkonsum reduzieren, Garten(balkon) insektenfreundlich gestalten und auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln verzichten. Folglich solle jede*r mit gutem Vorbild vorangehen. Eine Gesellschaft, die sich zunehmend von der Natur entferne, sei wenig förderlich, um das Problem ganzheitlich zu bekämpfen.
Resümierend hielt Prof. Dr. Lars Krogmann fest: „Alle haben eine gemeinsame Verantwortung: Die Landwirtschaft, die Kommunen, die Wirtschaft, die Wissenschaft, die Politik und die Gesellschaft.“ Er verwies überdies noch auf ein gelungenes Projekt, die Bunte Wiese in Stuttgart (https://www.buntewiese-stuttgart.de/).
Im Anschluss an den Vortrag gab es zahlreiche Wortmeldungen aus dem Publikum, was zeigt, wie präsent dieses Thema ist und dass es sich lohnt aktiv zu werden und das Insektensterben zu bekämpfen.